
Aktiver Umgang mit gebundenen Ausgaben
- On Januar 10, 2022
Ein weitverbreitetes Phänomen bezüglich der finanziellen Steuerung im öffentlichen Sektor als auch in der Privatwirtschaft sind die vermeintlich fehlenden Handlungsalterativen bei grossen Kostenblöcken. In der Privatwirtschaft werden diese Kosten Fixkosten genannt. Im öffentlichen Sektor reden wir von gebundene Ausgaben. Obwohl dieser Vergleich aus kreditrechtlich Sicht nicht standhält, ist er doch im Sinne der Argumentationslinie, wie mit diesen Kosten aus Steuerungssicht umgegangen wird, durchaus angebracht. Ich finde die gängige Terminologie, bei genauem reflektieren hinsichtlich der finanziellen Steuerung, störend aufgrund des absoluten Charakters der Begriffe. Wie können wir dieser vermeintlichen Machtlosigkeit entgegenwirken, um dem Mindset der «gebundenen Ausgaben» entgegenzuwirken?
Sich der Problematik bewusst werden
Der erste Schritt in fast jeder Problembewältigung ist, dass wir uns der Problematik bewusst werden. Der Ausdruck «gebundene Ausgaben» impliziert, dass wir die Kosten nicht beeinflussen können. Je nachdem, mit wem man über die Thematik spricht, reden wir hier von 60% – 80% (Pratelli, 2008, S. 30) der Gesamtkosten der Gemeinden. Allein die Grössenordnung dieser Kosten bedingt, dass wir bei der Steuerung einen kreativeren Ansatz wählen, als diese einfach als unbeeinflussbar zu taxieren. Wir bei der publicXdata AG sind der festen Überzeugung, dass ein Grossteil der Kosten beeinflussbar sind.
Alternativer Ansatz – Fristigkeit
Der Ansatz der publicXdata AG in der Thematik der gebundenen vs. ungebundenen Ausgaben ist, dass wir die altgedienten Kategorien im Steuerungskontext abschaffen und stattdessen die Fristigkeit der Beeinflussbarkeit an deren Stelle setzen. Das bedeutet konkret, dass die Kosten in die Kategorien kurzfristig (<1 Jahr), mittelfristig (<3 Jahre) und langfristig (>3 Jahre) beeinflussbar eingeteilt werden.
Wechsel des Mindsets
Der genannte Ansatz bedingt ein Wechsel des Mindsets in sämtlichen Führungsgremien der Gemeinden. Weg von der reinen Rechtfertigung, bei welcher der Steuerungsprozess bei der Erklärung der Differenzen endet. Hin zu einer durchgängig proaktiven Haltung in Bezug auf sämtliche Ertrags- und Kostenblöcke.
Verschiedene Steuerungsinstrumente
Das Einteilen der Ertrags- und Kostenblöcke in die Fristigkeit der Beeinflussbarkeit lässt uns zudem effizienter steuern. Es macht keinen Sinn, sich quartalsweise mit Hilfe eines Forecasts über mögliche Massnahmen im Bereich der langfristig beeinflussbaren «gebundene Ausgaben» zu unterhalten – hier ist es in Ordnung, wenn der Steuerungsprozess bei der Erklärung der Differenz endet. In diesem Fall ist der Finanzplan das geeignete Steuerungsinstrument und der Prozess dahin der richtige Zeitpunkt Massnahmen bei den «gebundenen Ausgaben» zu entwickeln. Mit der Methodik der Fristigkeit der Beeinflussbarkeit stellen wir sicher, dass die Diskussionen in den vorgesehenen Gremien zum richtigen Zeitpunkt geführt werden.
Proaktive und konstruktive Haltung in der praktischen Umsetzung
Anhand des Benchmarking für Schweizer Gemeinden stellt ihre Gemeinde fest, dass ihre Gemeinde in den Bereichen des Unterhalts der Gemeindestrassen (kurzfristig), den Personalkosten der allgemeinen Dienste (mittelfristig) und den Ergänzungsleistungen (langfristig) gegenüber den Vergleichsgemeinden Verbesserungspotenzial hat:
- Im Bereich des Unterhalts der Gemeindestrassen ist die Unterhaltsperiodizität einer der möglichen kurzfristigen Handlungsoptionen. In einer Detailanalyse könnten die verschiedenen Gemeinden, welche am Benchmarking für Schweizer Gemeinden teilnehmen, die Unterhaltsperiodizität vergleichen. Durch die Reduktion der Periodizität könnten kurzfristig Kosten für Verschleissteile, Treibstoff für die Unterhaltsfahrzeuge und allenfalls Drittaufträge eingespart werden.
- Ein substanzieller Kostenblock im Bereich der allgemeinen Dienste stellen die Personalkosten dar. Die Gemeinden als Arbeitgeberin, mit ausgeprägter sozialer Verantwortung, sind nicht bekannt für eine Hire and Fire-Mentalität und das ist auch gut so. Trotzdem kann mittelfristig der Mix des Personalkörpers bewusst verändert werden. Durch die Reorganisation der Prozesse kann dafür gesorgt werde, dass den leitenden Angestellten die einfachen Standardaufgabe entfallen. Diese Standardaufgaben können durch Mitarbeitende mit tieferem Anforderungsprofil erledigt werden. Bei der nächsten Anstellung aufgrund einer Pensionierung kann der Personalmix somit bewusst beeinflusst werden.
- Bei den Ergänzungsleistungen ist es so, dass in den Kantonen unterschiedliche Finanzierungsmodelle bestehen. Somit wäre ein möglicher Steuerungsansatz, dass durch die finanzielle Beteiligung des Kantons die Gemeinden entlastet werden. Die Ergänzungsleistungen als „gebundene Ausgaben“ sind langfristig beeinflussbar, da die Änderung dieses System ein langwieriger politischer Findungsprozess voraussetzt. Die Thematik der Finanzierung der Ergänzungsleistungen könnte in einem strategisch koordinieren Prozess mit gleichgesinnten Gemeinden angegangen und in Varianten im Finanzplan abgebildet werden.
Es ist klar, dass die obenstehenden Massnahmen immer im Kontext der definierten Gemeindestrategie beurteilt werden müssen. Was wir mit den Beispielen illustrieren möchten, ist die proaktive und konstruktive Haltung im Bereich der «gebundenen Ausgaben» aus Steuerungssicht.
Manuel Stauffer ist seit Oktober 2021 mit viel Engagement für die publicXdata AG unterwegs. Ein grosser Teil seiner beruflichen Laufbahn hat er sich mit wirkungsvoller Steuerung in Organisationen beschäftigt – zuletzt als Leiter Controlling in der Baustoffbranche. Bei der publicXdata AG ist er für Kundenprojekte und die Weiterentwicklung im Bereich Reporting zuständig.
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